Straßen: Schön sein statt stören
Umdenken im Straßenbau
Jeder möchte schnell, sicher und unkompliziert
unterwegs sein. Dennoch werden Straßen häufig
als Störfaktor wahrgenommen. Das Bautenressort
des Landes hat in den vergangenen Jahren einen
neuen Weg eingeschlagen: Ziel ist die Synthese
von Ingenieursbaukunst, Architektur und Landschaftsplanung.„Unsere Straßen mit Brücken,
Tunnels, Mauern und all dem was dazu gehört sollen
nicht nur funktionell und technisch einwandfrei
sein, sondern auch
landschaftlich und
architektonisch
schön sowie im optimalen
Fall als Bereicherung
für das
Ambiente gesehen
werden“, erklärt
Bautenlandesrat
Florian Mussner
die neue Maxime.
Weg vom Auto hin zu Bus und Bahn
Den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu
verlagern oder den Bürgern genügend öffentliche
Verkehrsmittel bereit zu stellen, damit sie auf das
Auto verzichten können, ist natürlich auch weiterhin
eines der wichtigen Ziele der Politik des
Landes. Dabei wird in erster Linie auf ein gut
ausgebautes, nutzerfreundliches und funktionierendes
Bus- und Bahnnetz gesetzt.
Wozu noch Straßen ausbauen?
Wie ein Haus müssen auch Straßen immer wieder
saniert und optimiert werden. Die Arbeiten
im Straßenbau sind also nie ganz abgeschlossen.
Insofern macht auch das Gros der Arbeiten im Bereich Straßen die Instandhaltung aus. Dazu
kommen zahlreiche kleine Eingriffe, um die Straße
zu verbessern. „Große Eingriffe, also neue Trassierungen
und Umfahrungen werden schon allein
wegen der geringen zur Verfügung stehenden
Gelder nur dort gemacht, wo es unbedingt notwendig
ist und die Bürger darauf bestehen“, sagt
Bautenlandesrat Mussner. Straßen werden immer
dann ausgebaut, wenn dies aus Sicherheitsgründen
wichtig ist. Ortsumfahrungen sollen in stark
befahrenen Dörfern den Verkehr ableiten und so
für die Bürger mehr Sicherheit und Lebensqualität
bringen. Neue Tunnels entstehen da, wo gefährliches
Gelände die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer
beeinträchtigt, wo Lärmschutz erforderlich ist
und wertvoller Grund gespart werden soll. Schnellstraßen
oder Straßen, die mehr Verkehr anziehen
sind laut Mussner von vorn herein tabu.
Alles muss stimmen
Bei den Straßen hatten in den vergangenen Jahrzehnten
die Technik zu stimmen und auch die Kosten.
Eine Einbindung in die Umgebung ergab sich
eher zufällig und wurde vielfach vernachlässigt.
Dem ist jetzt nicht mehr so. „Wir wollen Straßen,
die neben diesen Aspekten auch architektonisch
und landschaftlich schön sind“, unterstreicht Landesrat
Mussner. Gerade Straßen würden nämlich
den Lebensraum ganz entscheidend beeinflussen
und prägen, und zwar viel mehr als irgendein
Gebäude, so der Landesrat. Ingenieursbaukunst,
Architektur und Landschaftsgestaltung sollen zu
einer Symbiose zusammen finden. Bei jeder Planung
bekommen deshalb die beauftragten Ingenieure
künftig Architekten und Landschaftsplaner
zur Seite gestellt.
Prächtige Panorama-Passstraßen
Zu den technisch aufwändigsten und gleichzeitig
schönsten Straßen in Südtirol zählen die Panoramastraßen
auf das Stilfserjoch und das Timmelsjoch.
Um diese einzigartigen Straßen instand zu halten,
braucht es Jahr für Jahr großen finanziellen Aufwand.
Ständig sind bauliche Eingriffe nötig. Als diese
beiden Straßen gebaut wurden, waren sie mit
den Mauern, Brücken und Wehrsteinen aus Naturstein
harmonisch in die Landschaft integrierte,
technisch ausgereifte und moderne Straßen sowie
in ihrer Schlichtheit schöne Bauwerke. Im Laufe
der vergangenen Jahrzehnte haben diese Straßen
viel an architektonischer Harmonie eingebüßt.
Seit zehn Jahren sind die Abteilung Tiefbau und
der Straßendienst des Bautenressorts im Einsatz,
um Fehler auszumerzen und die ärgsten Mängel
zu beheben. Zudem haben bekannte Ingenieure
und Architekten im Auftrag des Bautenressorts ein
einheitliches, gestalterisches, architektonisches
Gesamtkonzept für hochalpine Straßen mit sensibler
Umgebung entworfen, das für die baulichen
Interventionen in den nächsten Jahren die Richtung
vorgibt.
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Umwelt im Blick
Eine intakte Umwelt und die damit einhergehende
Lebensqualität sind Faktoren, die das Bautenressort
in punkto Straßenbau nicht aus den Augen
verliert. Beim Ausbau der Pustertaler Staatsstraße
soll beispielsweise das Leben in den Ortskernen
lebenswerter, sicherer und attraktiver werden,
indem Umfahrungen entstehen. Bei den Eingriffen
wird zudem größter Wert darauf gelegt, dass
sich die Bauvorhaben gut ins Landschaftsbild
integrieren. Sämtliche Vorhaben wurden der Umweltverträglichkeitsprüfung
unterzogen. Zudem
gibt es eine spezielle Arbeitsgruppe aus Technikern
des Bautenressorts und Umweltexperten,
die alle anfallenden umwelttechnischen Probleme
gemeinsam löst und das Projekt so aus umwelttechnischer Sicht laufend verbessert.
Ausgleich schaffen
Im Bezug auf den Umwelt- und Landschaftsschutz
wurden ingenieur- und lärmtechnische Aspekte,
Hydraulik, Urbanistik, Fauna, Flora, Ökosysteme,
Landschaftsbild, Geologie sowie Hydrogeologie
und Luftbelastung berücksichtigt. Das Projekt
sieht u.a. Lärmschutzwälle oder eine umweltschonende
Reinigung des Regenwassers vor.
In wirtschaftlicher wie sozialer Hinsicht, war laut
Bautenlandesrat Mussner die Realisierung von
so genannten Ausgleichsflächen wichtig, damit
der technische Eingriff in die Landschaft wieder
kompensiert wird. Die Kulturflächen, die beim
Bau der neuen Straße verbaut wurden, werden
anderswo wieder geschaffen. So wird z.B. bei der
Sonnenburg die alte Straße wieder begrünt und
zurückgebaut. Anderswo wurden neue Biotope
und Grünflächen angelegt.
Neue Richtlinien für den Straßenbau
Um für alle Baumaßnahmen Qualität und das
gleiche Niveau zu gewährleisten und um den
Technikern, Firmen und Bauherrn die Planung
und Durchführung der Straßenbauprojekte zu
erleichtern, war die Festlegung von genauen Parametern
notwendig. Die neuen Richtlinien gelten
für Arbeiten an den Staats-, Landes- und Gemeindestraßen,
an Tunnels, Brücken und auch für die überörtlichen Fahrrad- und Gehwege.
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Devise für die Umwelt
Um die Planer unter dem Aspekt Landschafts- und
Umweltschutz zu sensibilisieren, wurden auch
dazu in Zusammenarbeit mit der Landesagentur
für Umwelt Leitsätze erstellt. Bei der Auswahl der
Linienführung von Straßen muss die harmonische
Einbindung in die Landschaft und die Anpassung an das bestehende Gelände sowie die Erhaltung
von landschaftlich und ökologisch sensiblen Gebieten
berücksichtigt werden.
Straßen, Brücken und Steinmauern müssen so
konzipiert sein, dass sie als Teil der Landschaft
wahrgenommen werden und nicht als Störfaktor.
Bei der Planung großer Bauvorhaben werden
Landschaftsexperten und Architekten beigezogen,
um die bestmögliche Lösung für den Schutz des
Landschaftsbildes zu erlangen.
Außerdem gilt es, für neue Straßenabschnitte so
wenig Flächen wie möglich zu verbrauchen und
landwirtschaftliche Gründe nicht willkürlich zu zerschneiden.
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Straßen landschaftsverträglich machen
Großer Wert auf optimale landschaftliche und
architektonische Gestaltung wird beispielsweise
auch bei der Westumfahrung von Brixen gelegt.
Dazu wurde dem Bauingenieur ein Architekt zur
Seite gestellt. Ingenieursbaukunst und Architektur sollen eine gelungene Symbiose bilden. Der Architekt
hat alle relevanten Straßenbauelemente
gestaltet und dem ganzen Projekt ein besonderes
Design verliehen. Besonderes Augenmerk
liegt auf der ästhetischen Ausformung der Tunnelportale,
der Lärmschutzwände, der Brüstungen
und dergleichen. Im Bereich des Krankenhauses
wurde besondere Sorgfalt auf die Gestaltung und
Begrünung des steilen Hanges gelegt. In völlig
natürlicher Umgebung platziert sind die Lüftungskamine,
die architektonisch so gestaltet wurde,
dass sie, einer Skulptur gleich, versteinerten
Bäumen ähneln. Das Gelände über einigen Tunnelabschnitten
wurde leicht verändert, um einen
durchgehend natürlichen Verlauf der Kurven und
der Bewirtschaftung zu ermöglichen. Ein solches
architektonisch-landschaftliches Konzept gibt es
z.B. auch für die Umfahrungen von Auer und Leifers
oder für die Kreuzung in Mühlbach.
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Südtirol hat aufgeholt
Bautenlandsrat Mussner ist überzeugt,
dass in Südtirol sehr viel in Punkto Landschaftsarchitektur
im Tiefbau gelernt,
intensiviert und aufgeholt wurde. „Nicht
zuletzt und darauf sind wir sehr stolz, hat
unsere Abteilung Tiefbau im vergangenen
Jahr zwei Anerkennungspreise beim jährlichen
Architekturpreis der Stadt Oderzo
gewonnen“, so der Landesrat. Die ausgezeichneten
Bauwerke sind zum einen die
neue Brücke in Hafling zum anderen die neue Steinschlagschutzgalerie in Trafoi.
„Wir sind sicher auf dem richtigen Weg“, sagt Mussner.
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Dr. Florian Mussner
Landesrat für ladinische Schule und Kultur, Vermögensverwaltung, sowie öffentliche Bauten |